Die Theaterlaufbahn

Nach zwölf Universitätssemestern und gelungener Promotion des 24jährigen mit den Prädikaten valde laudabile und magna cum laude für Dissertation und Rigorosum

folgte eine erste Gast-Inszenierung an einem kleinen Privattheater in Essen,

dann ein Jahresvertrag als Erster Spielleiter und Dramaturg, später auch Stellvertretender Intendant an das  Stadttheater Pforzheim: lehrsame Findungsphase des jungen Foto
Großansicht»Der zerbrochne Krug« in Pforzheim
(mit Hans Burckhard, Wolfgang Werlich
und Gerda Borkmann)
Regisseurs mit dreizehn Inszenierungen in drei Spielzeiten. Wichtigste Erprobungen hier: zwei Shakespeare-, zwei (taufrisch skandalierende) Ionesco-Stücke, Kleist und Calderón, Georg Kaiser und Ernst Toller, der grenzensprengende »Belagerungszustand« von Albert Camus und die Uraufführung von »Do not go gentle« (»Brückenbau«) des später mehrfach preis-, gar Oscargekrönten englischen Drehbuchautors Frederic Raphael.

Hilfreichste Stützen dieser Gehversuche waren unter anderen (alphabetisch) die Schauspieler/innen Johanna Bach, Alfred Feussner, Frank Halatsch, Karin Rasenack und Wolfgang Werlich. In ihrer Mitte startete Lunin auch einen eigenen schauspielerischen Versuch mit der Rolle des Spielleiters in »Unsere kleine Stadt« von Thornton Wilder.

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Großansichtin Pforzheim

Aber als Dramaturg notgedrungen auch Werbeleiter, mußte er nicht zuletzt den alljährlichen Tribut von Hausierbesuchen bei Abonnenten-Akquisiteuren in Villingen, Ehningen, Schwenningen, Calw, Weil der Stadt und vielen andern Kleinstädten des badisch-württembergischen Einzugsgebietes entrichten.

Freilich gab es von diesem Pforzheim aus auch erste verführerische Kontakte zum nahen Hörfunk des Stuttgarter Süddeutschen Rundfunks und zu dessen legendären Redakteuren Claire Schimmel und Karl Schwedhelm, die ihn extern als ständigen Hörspiellektor, gelegentlich auch als Übersetzer, Autor und Regisseur beschäftigten.

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Großansicht»Hamlet« in Braunschweig
(mit Heiner Ingenlath
im Raum von Ulrich E. Milatz)

Hiernach zwei Jahre Erster Spielleiter und Chefdramaturg am   Staatstheater Braunschweig. Schwerpunkte unter einem vollen Dutzend hiesiger Inszenierungen: »Hamlet« — und vier Einakter des polnischen Satirikers Sławomir Mrozek, als neue »Klassiker« auch Ibsen, Frisch und Dürrenmatt.

Wichtigste Braunschweiger Mitarbeiter: der Bühnenbildner Ulrich E. Milatz und die Schauspieler/innen Heiner Ingenlath, Hans Medo, Karin Rasenack, Ingeborg Riehl und Hildegard Schmahl.

Dann vier gravierendere Spielzeiten lang als Schauspiel-Regisseur und Chefdramaturg am  Hessischen Staatstheater Wiesbaden unter Claus Helmut Drese auch für die alljährlichen Internationalen Maifestspiele zuständig. Von hiesigen neun Regie-Arbeiten waren die subjektiv gelungensten: Harold Pinter's »Heimkehr« , Edward Bond's »Gerettet« , Molières »Menschenfeind«, Musils »Vinzenz« und die Uraufführung »Ein Haus für meine Kinder« , das einzige Bühnenstück des großen Lyrikers Ernst Meister.

Wichtigste Partner waren hier die Schauspieler/innen Vera Borek, Wolfgang Hinze, Matthias Ponnier, Karin Rasenack, Willy Reichmann, Werner Rundshagen, Franz Walter und andere.

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Großansicht»Das weite Land« in Wiesbaden
(Raum: Frank Schultes)
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Großansicht»Gerettet« in Wiesbaden
(mit Änne Nau und Matthias Ponnier)

Die Deutsche Erstaufführung »Der Katalysator« eröffnete Kontakte zu dessen Autor Ronald Duncan, zu dessen deutschem Verlage Rowohlt und eine opulente Tätigkeit als Übersetzer von Bühnenstücken, Hör- und Fernsehspielen aus mehreren Sprachen und für diverse Auftraggeber in Verlagen, Theatern und Sendern. Die objektiv erfolgreichste dieser Übersetzungen war »Rosenkranz und Güldenstern« von Tom Stoppard, den er zeitweise auch mit andern Texten exklusiv ins Deutsche übertrug.

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Großansicht»Rosenkranz und Güldenstern sind tot«
(Regie: Hanno Lunin) in Wiesbaden

Begegnungen von Belang waren in diesen hessischen Jahren mit ihrem Festival

primär Ernst Meister, Rudolf Forster, Ronald Duncan, Wolfgang Schadewaldt, Mauricio Kagel, Aleksander Bardini und Hansgünther Heyme, der beim Berliner Piscator-»Danton« schon Assistent des Assistenten Lunin gewesen war und von diesem nun bei seinem preisgekrönten »Marat» von Peter Weiss zunächst dramaturgisch, dann auch zum Berliner Theatertreffen begleitet wurde,

punktuell sonderlich eindrucksvoll auch Helene Weigel, Peter Weiss, Václav Kašlik, Konrad Wünsche, Andrzej Majewski, die Ballettlegende Galina Ulanowa mit Rudolf Nurejew und Margot Fonteyn, aber auch Roberto Blanco auf der Schauspielbühne.

Zeit- und aushilfsweise unterrichtete Lunin damals auch als Dozent an einer Wiesbadener Schauspielschule.

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Großansichtin Köln

Die nächste Station unter gleichem Intendanten waren die  Bühnen Der Stadt Köln, wo er zwei Spielzeiten lang als Regisseur und Chefdramaturg vier Inszenierungen übernahm, von denen zwei bundesrepublikanische Erstaufführungen waren, deren eine (von Joe Orton) sogar ein handfester Theaterskandal.

Die affinsten Partner waren hier Helmut Baumann, Ulrich E. Milatz, der Fotograf Stefan Odry und die Schauspieler/innen Verena Buss, Lutz Görner, die greise Johanna Koch-Bauer, Günter Lamprecht, Matthias Ponnier und andere,

die beruflich oder menschlich eindrucksvollsten Begegnungen in Köln Jean-Louis Barrault, Helga Pilarczyk, Karl Paryla, Jorge Lavelli, Ulla Berkéwicz und andere.

Aber diese beiden Jahre am Rhein waren zugleich schon der gezeichnete Übergang an die Elbe und zum  Thalia Theater Hamburg, wo er die nächsten sechs Jahre Regisseur und Chefdramaturg unter dem frisch gekürten Intendanten Boy Gobert war.

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Großansicht»Die Wölfe« in Hamburg
(mit Karin Rasenack, Ruth Hellberg und Dinah Hinz im Raum von Harold Waistnage)
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Großansicht»Die Englische Geliebte« in Hamburg
(mit Wolfgang Forester und Agnes Fink
im Raum von Fritz Brauer)
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Großansicht»Die Dachlawine« in Hamburg
(mit Gisela Peltzer und Ullrich Haupt im Raum von Ulrich E. Milatz)
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Großansicht»Eisenwichser« in Hamburg
(mit Manfred Steffen und Ralf Schermuly im Raum von Ulrich E. Milatz)
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Großansicht»Elektra« in Hamburg
(im Raum von Bert Kistner)
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Großansicht»Der zerbrochne Krug« in Hamburg
(mit Karl-Ulrich Meves, Manfred Steffen, Peter Striebeck, Helmut Qualtinger, Paul Burian, Ruth Stephan und Ursela Monn im Raum von Toni Businger)

Hier führte er achtmal Regie, für ihn selbst am ersprießlichsten mit den Schauspieler/innen Agnes Fink, Ursela Monn, Karin Rasenack, Ralf Schermuly, Manfred Steffen, Ruth Stephan, Peter Striebeck und anderen. Nachhaltige Begegnungen dieser hanseatischen Jahre waren überdies (wieder alphabetisch) Ingrid Andree, Gerhard Blasche, Toni Businger, Jürgen Flimm, Boy Gobert, Kurt Meisel, Hubert von Meyerinck, Helmut Qualtinger, George Tabori, Tom Toelle, Harold Waistnage, Paula Wessely und viele andere.

Drei Gastinszenierungen wurden ihm in dieser Zeit vom »heimatlichen«  Berliner Schiller- und Schloßpark- Theater angeboten; nur eine ließ sich realisieren. Auch Tournee-Inszenierungen (mit Hannelore Schroth, Hilde Krahl, Gert Westphal und anderen) zerschlugen sich aus außerkünstlerischen Gründen.

Zweimal war er Mitglied einer Jury:

1973 für den Lessing-Preis der Freien und Hansestadt Hamburg,

1987 für das Ida-Ehre-Stipendium zugunsten von Bühnenautoren.

Aber 1974 wurde er von allen Fraktionen des zuständigen Stadtrates einstimmig zum Generalintendanten der  Wuppertaler Bühnen ernannt.